Handy an der Nase

Tierisch gute Schnüffler: Die Malinois-Hündin Misty und Polizeioberkommissar Hendrik Wannagat sind ein eingespieltes Team.
Handy an der Nase
Für Malinois-Hündin Misty ist es ein großes Spiel, wenn sie Smartphones, Festplatten oder SIM-Karten findet. Dann bekommt sie ihre Beißwurst, die Täter oft ein paar Jahre Haft.
Streife-Redaktion

Manchmal hilft auch der beste Spürsinn nicht weiter, da braucht man eine Super-Nase. Zum Beispiel, wenn man eine Handy-Bande hinter Gitter bringen will, wie in Bielefeld.

Tagelang hatte die Polizei dort Diebe observiert, die hochwertige Smartphones mitgehen ließen. Endlich – Zugriff! Die Langfinger sollten auf frischer Tat ertappt werden. Vier oder fünf Handys hätten schon gereicht. Doch dann die Enttäuschung: keine Smartphones zu finden. Die Ermittler durchsuchten die Taschen der Verdächtigen: leer. Das Fluchtauto: leer. Sie rissen die Innenverkleidung der Ford-Limousine heraus: nichts. Letzte Hoffnung: ein Hund, der Datenträger aufspüren kann. Bei der Diensthundeführerstaffel in Essen klingelte das Telefon. Wenig später waren Polizeioberkommissar Hendrik Wannagat (40) und seine Belgische Schäferhündin Misty auf dem Weg nach Ostwestfalen.

In Bielefeld angekommen, sprang Misty in den Ford. „Spür!“ Die Rückbank schien verdächtig. „Spür!“ Ein Hund ist in der Lage, pro Minute bis zu 300 Partikeleinzüge auf die Schleimhaut einzuatmen. Er hat ungefähr 200 Millionen Riechzellen. Zum Vergleich: Der Mensch hat nur rund 5 Millionen. Mistys Schnauze bohrte sich in die Ritze einer Armlehne. Dann legte sie sich hin. „Wir nennen das Einfrieren“, erklärt Hundeführer Wannagat. Misty hatte etwas gefunden.

Die Diebe hatten die Smartphones tief in die Sitzbezüge geschoben. Weil die Gummis so stramm saßen, konnten die Beamten sie nicht finden. Es gab ein großes Lob: „Super gemacht.“ Dann bekam Misty ihre Beißwurst, denn Spielen ist für sie Belohnung.

Goldbraunes Fell, braune Augen, die Rute wedelt freudig. Ein paar Wochen später auf einem Hundetrainingsplatz in Mülheim an der Ruhr ist die Spürnase auf vier Pfoten bester Dinge. Sie ist eine von über 300 Polizei-Hunden, die in Nordrhein-Westfalen Dienst schieben: Rauschgift, Sprengstoff oder Banknoten finden, Menschen aufspüren, Einbrecher stellen. Mistys Spezialgebiet sind Datenträger. Sie filtert aus Millionen von Gerüchen einen ganz besonderen Duft heraus: den von DVDs, Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks und Smartphones. Sogar winzige SIM-Karten entdeckt sie.

Wannagat und Misty arbeiten nicht nur zusammen. Sie leben auch zusammen, fahren zusammen zum Dienst, machen zusammen Urlaub, gehen dreimal am Tag zusammen Gassi. Und wenn Misty irgendwann in den Ruhestand geht, wird sie auch ihren Lebensabend zusammen mit ihrem Herrchen verbringen – draußen im Grünen, mit einer Decke im Haus und einem Zwinger im Garten. Doch bis dahin dauert es noch etwas. Misty ist erst sechs Jahre alt, also im besten Hundealter.

Hendrik Wannagat ist mit Vierbeinern aufgewachsen. Nach dem Abitur ging er zur Polizei und schlug den normalen Dienstweg ein – Studium, Wachdienst, Einsatzhundertschaft. Bei Spät- und Nachtschichten begleitete er manchmal die Hundeführer. Wäre das nicht auch etwas für ihn? Seit fünf Jahren begleitet ihn nun Misty.

„Sitz.“ „Platz.“ Sie hört nur auf seine Hörzeichen. „Klare Regeln sind wichtig“, sagt Wannagat. Zum Beispiel beim Essen. Fällt ein Stück Wurst unter den Tisch, schaut Misty nicht einmal hoch. Das war nicht immer so. „Nein, Misty“, hieß es und sie wurde wieder auf die Decke geschickt. Freundlich, aber bestimmt.

Belgische Schäferhunde stammen von Hütehunden ab, wollen gefallen, sind gelehrig und intelligent. Misty hat verstanden. Fleischwurst ist tabu. Aber ihre Beißwurst ist toll. Sie hat bei ihrer Ausbildung eine besondere Rolle gespielt.

15 Datenspeicherspürhunde gibt es derzeit in Nordrein-Westfalen. Die talentierten Nasen wurden bereits 2019 ausgebildet – kurz nachdem in Lügde der Missbrauchstäter Andreas V. festgenommen worden war. Damals hatte ein Datenspeicherspürhund aus Sachsen in einem Kissen einen versteckten USB-Stick entdeckt. Ein wichtiges Beweisstück. Seitdem sind oftmals Vierbeiner mit im Einsatz, wenn Wohnungen durchsucht werden und ein Verdacht auf Kindesmissbrauch besteht.

Misty war bei mehr als 40 Einsätzen dabei, spürte sich bereits durch Rumpelkammern, balancierte über umgekippte Schränke, sprang auf Tische, um mögliche Verstecke in Deckenlampen aufzuspüren. „Ihre Motivation ist ihr Lieblingsspielzeug, ihre Beißwurst“, so Wannagat. Die gibt es nach getaner Arbeit. Natürlich gab es die auch sofort, als sie einen USB-Stick in einer vollen Werkzeugkiste gefunden hat oder die Mappe mit selbst gebrannten DVDs, die der Täter hinter einen Gefrierschrank im Keller geschoben hatte.

Begeisterung, Konzentration, Intelligenz, Loyalität: Das alles macht Misty in Verbindung mit ihrer empfindlichen Nase zu einem talentierten Spürhund. Im LAFP in Schloß Holte-Stukenbrock und in der Diensthundestaffel der Polizei Essen wurde sie zunächst zum Schutzhund ausgebildet. Manche Hunde reagieren nervös auf Menschenmassen oder zucken bei lauten Geräuschen zusammen. „Misty ist sehr umweltsicher“, sagt Wannagat. Deshalb bekam sie auch die Einladung zur Ausbildung zum Datenspeicherspürhund und wurde auf den Geruch von Speichermedien konditioniert. Für sie ein Riesenspaß.

Zurück auf dem Hundeübungsplatz. Misty schläft in ihrer Hundebox im Dienstwagen. Was aber nicht heißt, dass sie nicht wachsam wäre, im Gegenteil. Wannagat weiß, so konzentriert und aufmerksam sie nach Datenträgern sucht, so setzt sie ihr Können auch im täglichen Dienst ein.

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In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110